Start Leben mit Erkrankungen Motorrad-Sport als Rollstuhlfahrer, geht das?

Motorrad-Sport als Rollstuhlfahrer, geht das?

Finde das, was du liebst. Und begnüge dich niemals mit etwas Geringerem!

Jakob Lorenz & Rennsport | Fotos: Privat, Coen Vleugels
Jakob Lorenz & Rennsport | Fotos: Privat, Coen Vleugels

Jakob Lorenz ist uns als Sportler aufgefallen. Jakob’s Sport ist etwas außergewöhnlich da er querschnittgelähmt ist und einen Rennsport ausübt. Im Interview haben wir einen außergewöhnlichen jungen Mann kennengelernt, dessen Herz für den Rennmotorsport brennt.

- Werbung -
Schwab Küchen

INTERVIEW: Christian Hochenburger, Magazin Barrierefrei Leben in Österreich

Jakob, du sitzt nach einem Motorradunfall seit 2018 im Rollstuhl, seitdem hat sich dein Leben komplett verändert, wie schaut es heute aus?

Jakob Lorenz: So ein Schicksalsschlag ist ein sehr einschneidendes und lebensveränderndes Ereignis und auch eine neue Herausforderung. Nahezu nichts ist wie früher. Mit jeder Tür die sich schließt, öffnen sich jedoch neue Türen. Fokussieren, zukunftsorientiert handeln und den richtigen Weg einschlagen um das Beste aus seiner Situation rauszuholen, ist angesagt. Meinen Weg, habe ich schlussendlich im Zweirad-Motorsport gefunden. Es war viel Arbeit es bis hier her zu schaffen, doch ich habe diesen Weg mit Bravour gemeistert.

Musst du dich anders ernähren oder kannst du das gleiche essen wie früher?

INTERVIEW Magazin Barrierefrei Leben in Österreich

Jakob: Ich kann essen worauf ich Lust habe. Es fällt mir eher sehr schwer Gewicht zuzunehmen. Als Sportler achte ich zwar etwas darauf, was ich zu mir nehme, aber am Ende des Tages gibt es dann doch nix besseres als einen Kaiserschmarrn.

Spielt das frühere Leben in Gedanken noch eine Rolle?

Jakob: Jeder Mensch denkt ab und zu an seine Kindheit oder erinnert sich an gewisse Dinge, die man erlebt hat. Ich würde alles wieder genauso machen. Ich habe den Motorsport schon immer geliebt. Für mich hat sich lediglich das Terrain und die Gegebenheiten geändert. Als Kind und Teenager bin ich Motocross gefahren. Jetzt geht es auf dem Asphalt weiter und ich habe sehr viel weniger Muskeln zur Verfügung um mich auf der Maschine zu halten und um auszubalancieren.

Ohne Unfall – was würdest du heute arbeiten und was arbeitest du tatsächlich?

Jakob: Ich war damals in der Ausbildung zum Maschinenbautechniker, im gleichen Unternehmen, wo ich jetzt noch tätig bin. Wahrscheinlich würde ich das noch ausüben. Jetzt bin ich mit Teilzeit als Werkstofftechniker angestellt. In jenem Beruf, den ich ursprünglich erlernen wollte.

Denkst du ab und zu daran, wie dein Leben ohne Unfall verlaufen wäre?

Jakob: Möglicherweise wäre ich nie über meinen Schatten gesprungen, hätte meine Komfortzone nicht verlassen und würde meinen 40h Job wie damals ausüben. Und wenn sich’s zeitlich ausgeht, einige Tage im Jahr auf einer Motocross-Strecke verbringen. Wenn es das Wetter zu lässt, mit dem Motorrad auf den Straßen in Österreich unterwegs sein. Nicht so aufregend, wie ich es jetzt finde.

Du bist nahezu mit dem Motorrad verwachsen, aber ein Motorradkuscheltier hast du nicht? Spaß beiseite, du hattest einen Unfall mit dem Motorrad und jetzt fährst du dennoch Motorradrennen. Was treibt dich an?

INTERVIEW Magazin Barrierefrei Leben in Österreich

Jakob: Wer nicht versucht dem nachzugehen was einen glücklich macht, der hat das Leben nicht verstanden. Sobald ich weiß, was mir Freude bereitet, muss ich dies auch machen. Oder zumindest darauf hinarbeiten um dies hoffentlich irgendwann ausüben zu können. Es ging nie ohne Motorsport und das wird so bleiben. Vom Hobby-Motocrosser habe ich es nach meinem Unfall mit viel Kraft und toller Unterstützung geschafft, in die Welt des „Semi-professionellen“ Rennsports einzusteigen. Und das in einem Land, wo der Motorsport leider nicht von großer Bedeutung ist. Ich brauche das Adrenalin und die Geschwindigkeit. Es bereitet mir Freunde und ich fühle mich frei dabei.

Du im Rollstuhl, daneben die Rennmaschine, keine Stützräder? Was machst du, wenn du anhalten musst, auf der Rennstrecke oder in der Box?

Jakob: Es ist mir nicht möglich, den Sport allein auszuüben. Es geht los, dass mir zu Hause jemand den Anhänger beladen muss und auf der Strecke wieder entladen. Ich benötige Hilfe, um auf das Motorrad hochzukommen sowie beim Anfahren. Danach geht das Visier runter und ich mache das, was ich am besten kann. Gas geben. Am Ende meines Trainings/Rennens komme ich wieder in die Box bzw. das Fahrerlager rein, wo im Normalfall 1-3 Personen bereits auf mich warten. Die fangen mich auf und helfen mir wieder vom Motorrad runter. Ist niemand da, wird gegen die Wand gelehnt und gewartet. Auf der Rennstrecke wird nicht angehalten – eiserne Regel, auch zur Sicherheit aller anderer Teilnehmer! Bei technischem Defekt wird unverzüglich in die Wiese bzw. ins Kiesbett ausgerollt. Dort suche ich mir eine Bande oder Wand zum Anlehnen. Wenn ich nicht so weit komme, falle ich halt um. Den Rest machen dann die Streckenposten, sodass ich inklusive Maschine wieder zurück komme ins Fahrerlager.

Wie schaut dein Betreuerteam aus? Mechaniker usw., alles was da so notwendig ist um erfolgreich zu sein in deinem Sport?

Jakob: Meine Betreuer sind alle möglichen Personen welche mir auf der Strecke helfen. Ich fahre oft allein zur Strecke und knüpfe neue Freundschaften. Die Leute im Fahrerlager sind alle sehr hilfsbereit und ich scheue mich nicht um Hilfe zu fragen. Ohne Hilfe geht es einfach nicht. Und für jeden Termin einen Helfer oder Freund dabei zu haben ist unmöglich. Um ehrlich zu sein ist es der absolute Ausnahmefall, dass ein Freund mitfährt. Ab und zu habe ich meinen Vater dabei, da er denselben Sport ausübt. Wir fahren dann gemeinsam. Für die Meisterschaftsläufe ist es auch immer sehr schwierig, Helfer zu finden. Da brauche ich immer mindestens 2 Personen. Mechaniker habe ich auch keinen eigenen. Papa macht mir die kleinen Verschleißteile. Wenn es was Gröberes hat, ein großes Service oder ich gestürzt bin, muss ich jedes Mal in die Steiermark fahren. Dorthin, wo ich die Maschine gekauft habe.

Du hast im Jahr 2024 z.B. in LeMans gewonnen, ein Rennen in Frankreich. Wie schaffst du das neben deiner Arbeit?

Jakob: Ich habe aktuell noch die Möglichkeit fleißig Zeit reinzuarbeiten, um dann wieder unterwegs zu sein. Die Betonung liegt auf aktuell. Ich denke, es wird in meiner Abteilung in Zukunft möglicherweise nicht immer so einfach funktionieren, sodass ich meine geplanten Abwesenheiten alle genehmigt bekomme. Aktuell klappt es aber noch relativ gut. Wie die Zukunft wird, zeigt sich bestimmt. Mein Traum, das Rennfahren komplett zum Beruf zu machen, ist natürlich da. Es wird aber sicher sehr, sehr schwierig.

Wie finanzierst du deinen Sport und wie wichtig sind deine Sponsoren?

INTERVIEW Magazin Barrierefrei Leben in Österreich

Jakob: Sponsoren sind das A und O. Sie machen das alles erst möglich. Ich bin sehr froh über jeden Sponsor, den ich bereits habe. Der Lohn meiner Arbeit, mein gesamtes monatliches Einkommen inkl. Sponsorengelder, fließen in mein Hobby. Teilnahmegebühren, Reifen, andere Verschleißteile, Sturzteile, Diesel fürs Auto um zu den Rennstrecken in Europa zu kommen, Maut- und Vignettengebühren, Benzin für’s Motorrad, und und und… Die Kosten explodieren förmlich im Rennsport.

Dazu kommt, wie vorhin erwähnt, der zeitliche Stress, mit Zeit hereinarbeiten in der Firma und Therapien, die meinem Körper guttun. Da bleibt kaum noch Zeit über. Ich würde aber sehr gerne meine Sponsoren öfter besuchen. Da ich einfach so unglaublich dankbar dafür bin, dass es Privatpersonen oder Unternehmen gibt, die von mir begeistert sind und mich unterstützen bzw. mit mir zusammenarbeiten. Ich finde es toll, wenn ein Sponsoring auf einer freundschaftlichen Ebene abläuft und nicht nur rein geschäftlich. Ich finde es cool, wenn ich meinen Sponsor mal gemütlich besuchen darf und bei einer Tasse Kaffee geplaudert wird. Wäre es zeitlich leichter, würde ich dies gerne viel öfter tun. Zum Beispiel nach einem Meisterschaftsrennen, damit ich ihnen Bericht erstatten kann. Sie freuen sich mit mir. Das finde ich großartig! Es ist mir wichtig, zumindest telefonisch in Kontakt zu bleiben, da ich ja auch Sponsoren außerhalb von Österreich habe. Abschließend muss ich nochmal sagen, dass ich wirklich sehr dankbar bin für jede Unterstützung, die ich aktuell und in Zukunft bekomme.

Auf was kommts an im Leben?

Jakob: Gemeinsam zum Europameister! (hoffentlich 😉)

Jakob Lorenz finanziert seinen Sport zum Teil aus seinem eigenen Geld und geht einem Beruf nach, aber auch aus Sponsorengeldern. Gerne können auch Sie ihn dabei unterstützen. Kontakt: Mail: jakoblorenz@gmx.at Telefon: +43 681 81783101

Fotos: Privat, Coen Vleugels